30.12.2022

Infotag zur teilmobilen Schlachtung

Kuh vor teilmobiler Schlachteinheit
© Clara Göckeritz, LfULG

Am 23.11.22 veranstaltete das Öko-Kompetenzzentrum einen Infotag zum Thema »teilmobile Schlachtung«, welcher auf dem seit fast 30 Jahren biologisch-dynamisch bewirtschaftetem Hof Mahlitzsch in Nossen stattfand. Nikola Burgeff, Betriebsleiter des Hofes, investierte gemeinsam mit den zwei Bio-Landwirten Clemens Risse und Lutz Gläser in eine solche Schlachteinheit. Neben Erfahrungsberichten und wertvollen Tipps aus der Praxis sowie der Besichtigung verschiedener teilmobiler Schlachteinheiten, klärten die Referierenden des Tages ebenso über mögliche Verfahren der hofnahen Schlachtung und rechtliche Rahmenbedingungen auf.

Doch was hat es überhaupt mit dem Begriff der »teilmobilen Schlachtung« auf sich?

Wenn aus Gründen des Tierschutzes vermieden werden soll, Tiere lebend zum Schlachthof zu transportieren, können mobile und teilmobile Schlachtungen vor allem für Betriebe mit kleineren Tierbeständen eine sinnvolle Alternative darstellen. Das zu schlachtende Tier wird in seiner gewohnten Umgebung betäubt, getötet und mit einem zugelassenen Hänger zur Weiterverarbeitung gebracht. Dem Tier wird Stress erspart, was sich zudem positiv auf die Fleischqualität auswirkt. Neben dem Aspekt des Tierschutzes stehen dabei die Regionalität der Produkte sowie der Wunsch der Verbraucher nach mehr Tierwohl und Transparenz im Fokus.

»So ein Ende haben meine Tiere nicht verdient.«

So Clemens Risse, der am Morgen des 23.11.22 im kleinen Kreis gemeinsam mit Nikola Burgeff zum ersten Mal in Sachsen das Verfahren der teilmobilen Schlachtung demonstriert. Zusammen mit dem Nebenerwerbslandwirt und Tierarzt Lutz Gläser haben die beiden in eine teilmobile Schlachteinheit investiert, die zudem vom Freistaat Sachsen gefördert wurde. Diese wird nun gemeinschaftlich von den drei Betrieben genutzt, die im Durchschnitt einen Bestand von 250 Tieren haben, wodurch das Schlachtmobil bis zu 60 Mal im Jahr zum Einsatz kommen dürfte.

Grund für die Investition war der Frust über die bisherige Vorgehensweise bei der Schlachtung ihrer Rinder, die den Tieren nicht bis zum Schluss das Tierwohl gewährleisten konnte, welches sich die drei Landwirte wünschten. Die Tiere gerieten in Stress und das nicht erst beim Transport zum Schlachtbetrieb. Bereits das Einfangen, Fixieren und Manövrieren auf den Transporter löste Panik bei den Tieren aus. Aber nicht nur bei ihnen, auch bei den Landwirten löste diese Vorgehensweise ein ungutes Gefühl aus. Die Mutterkühe, die teilweise 10 Jahre zu dem Betrieb gehörten, durch eine fremde Umgebung und fremde Menschen solch einem Stress auszusetzen, so ein Ende sollten Clemens Risses Tiere in ihren letzten Stunden nicht verdient haben.

Um zu zeigen, wie man es besser machen kann, führten Nikola Burgeff und Clemens Risse im Beisein des Veterinärs, der die Tiere vor und nach der Schlachtung begutachten muss, eine teilmobile Schlachtung durch. Die 12 Jahre alte Kuh des Hofs Mahlitzsch wurde bereits Tage vor der Schlachtung in gewohnter Umgebung an das Füttern in einem mobilen Fangstand gewöhnt, in welchem sie dann kurz vor dem Bolzenschuss fixiert wurde. In Sekundenschnelle wird die betäubte Kuh noch im Fressgestell durch Motorkraft ins Schlachtmobil gezogen, woraufhin eine Rolltür den Anhänger verschließt. Sofort im Anschluss findet im Anhänger die Tötung und das Ausbluten statt. Der anschließende Transport zum Schlachtbetrieb, wo die Zerlegung und möglicherweise auch die Weiterverarbeitung stattfinden, muss innerhalb von 120 Minuten gewährleistet werden.

Nikola Burgeff und Clemens Rissen hoffen auf ein Umdenken und das sich weitere Landwirte dieser Methode der Schlachtung am Hof annehmen.

Im Nachgang daran startete die Veranstaltung offiziell mit der Begrüßung der Teilnehmenden durch Clara Göckeritz (LfULG) und Philip Nickel (LfULG), welche in den Praxislaboren Tierhaltung und Tierwohl im Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau tätig sind und die Veranstaltung organisiert haben.

Philip Nickel stellte in einem Vortrag die aktuelle Problematik bezüglich Schlachtungen in Sachsen dar, wo Tiere immer weitere Strecken bis zur Schlachtung zurücklegen müssen. Dadurch steigen nicht nur die Transportkosten, die Tiere sind zudem erhöht Stress ausgesetzt. Im Anschluss daran ging er auf aktuelle Zahlen ein, stellte Möglichkeiten der hofnahen Schlachtung (mobile Tötung und Kugelschuss auf der Weide) vor und klärte über rechtliche Aspekte auf.

Es folgte ein Vortrag zu Möglichkeiten und Verfahren der hofnahen Schlachtung und Zerlegung von Dr. Philipp Rolzhäuser (Universität Leipzig) und Lea Trampenau (ISS). Dr. Philipp Rolzhäuser arbeitet im Institut für Lebensmittelhygiene, Lea Trampenau gründete 2009 das Unternehmen »ISS« (Innovative Schlachtsysteme). Beide schulen unter anderem auch Landwirte zur teilmobilen Schlachtung. In ihrem Vortrag stellten sie die verschiedenen Arten der Schlachtung vor und gingen dabei insbesondere darauf ein, wie sich die unterschiedlichen Arten auf das Tier und später auf die Fleischqualität auswirken. Angesichts des Veranstaltungsthemas stand auch hier die teilmobile Schlachtung im Fokus des Vortrages, die sowohl eine Weide- als auch eine Hoftötung sein kann. Bei beiden Verfahren finden zwei Schritte des Schlachtprozesses direkt auf der Weide bzw. auf dem Hof statt: Die Betäubung und die Tötung. Alle weiteren Schritte folgen im Schlachtbetrieb. Welche Regelungen und Voraussetzungen für die Verfahren existieren, erklärten die beiden Vortragenden anhand von Beispielen aus der Praxis.

Chancen und Risiken teilmobiler Schlachtung 

Chancen Risiken
Kein Transport(-stress) Überwachung Tierschutz und Lebensmittelsicherheit
Gewohnte Umgebung, Personen Verantwortlichkeiten
Gewöhnung an mobile Einheit Zeit- und Kostenaufwand
Regionale Wertschöpfung Abgrenzung Notschlachtung und »Krankschlachtung«
Verwertung schlachttauglicher, transportunfähiger Tiere  

 

Fragen und Antworten

  • Werden bei der teilmobilen Schlachtung die Tiere, welche sich in der unmittelbaren Nähe befinden, negativ beeinflusst?

Bisher gibt es wenig Material darüber, wie sich die anderen Tiere verhalten. Oft reagieren die anderen Tiere gar nicht bis kaum. Die Tiere schauen meist nur kurz, aber einen weiteren Einfluss hat es nicht. Außer vor der Schlachtung wurde Hektik verbreitet und die Herde damit beeinflusst. Wenn Blut auf der Fläche verbleibt, kann dieses Auswirkung auf die anderen Tiere haben. Dieses muss aufgefangen werden.

  • Wie muss das Blut bei der Liegend-Schlachtung aufgefangen werden?

Eine kleine, flache Wanne reicht aus, um das Blut aufzufangen.

  • Was ist der Anspruch beim Transport nach dem Weideschuss?

Der Transporter muss auslaufsicher, fest verschließbar und leicht zu reinigen sein. Zudem ist eine integrierte Entblutungswanne notwendig.

  • Gibt es eine Vorgabe, wer den Weideschuss durchführt?

Ein Sachkundenachweis ist notwendig, also durch einen normalen Jäger nicht möglich. Zudem muss das Ordnungsamt die Genehmigung erteilen.

»Eine Milchkuh, die dem Bauern lebenslang gedient hat, sollte würdevoll geschlachtet werden. Sie sollte keine halbe Deutschlandreise mehr hinter sich bringen.« 

Mit diesen Worten erklärt Thomas Mayer, wie er gemeinsam mit Sandra Kopf zur Gründung der »IG Schlachtung mit Achtung« kam, womit die beiden bereits 2012 anfingen, bis es 2015 schließlich zur Gründung kam. Welche Intension die beiden haben, beschreiben sie auf ihrer Homepage wie folgt:

»Unsere Stärke ist unsere Schwäche für Rinder (Tiere)« 

  • Wir wollen den Dialog zwischen Tierhaltern, Handel und Verbrauchern fördern
  • Tierschonende Schlachtmethoden umsetzen
  • Achtung und Würde des Tieres schützen
  • Vernetzung mit Gleichgesinnten
  • Tod in vertrauter Umgebung
  • Keine Furcht, kein Stress - kein Lebendtransport
  • Hofnahes Schlachten
  • Der letzte Tag des Tieres darf nicht das schwächste Glied im Leben eines "seit Geburt tierfreundlich gehaltenen Rindes" sein

Auch auf der Veranstaltung erzählt Thomas Mayer von seinem Werdegang und der Entstehungsgeschichte der »Mobilen Schlachteinheit (MSE)«, welche »harten Vorgaben« es gab und wie er sich fragte, wie sie das nur schaffen sollten. Lebhaft berichtet er von seinen Gedanken und nimmt die Teilnehmenden der Veranstaltungen auf eine bildhafte Reise mit, in der klar wird, welche Hürden sich ihm und Peter Brandmeier, dem Hersteller der MSE, in den Weg stellten.  

Wie geht das Tier rein? Wie kann die Schlachtung regulär und immer gleich ablaufen? Wie sind die Prozesse mit Tierschutz und Hygiene zu vereinen?

»Da geht’s dann um Leben und Tod- nicht mehr nur für das Tier, wenn Frieda in den Schlachthof gebracht wird.«, so Thomas Mayer.

Er betont, dass die Schlachtung immer beim gleichen Landwirt gleich gut oder eben gleich schlecht abläuft. Es liegt nicht am Tier. Wenn das Tier nicht von selbst reingeht, dann wird nicht geschlachtet. Dann hat der Landwirt einen Fehler gemacht. Die mobile Schlachteinheit müsse so gut gemacht werden, dass das Tier noch etwas frisst und nicht »nüchtern« geschlachtet wird. Das hätte auch Auswirkungen auf die Fleischqualität.

»Wer frisst hat keine Angst. Und die meisten Tiere, die mit der MSE geschlachtet werden, sterben fressend.« 

Die mobile Schlachteinheit von Schlachtung mit Achtung, in die auch die drei Landwirte investiert haben, funktioniert halbautomatisch und gewährleistet eine hundert-prozentige Transparenz. Durch eine im Anhänger integrierte Kamera kann der Amtstierarzt den Prozess zu hundert Prozent nachvollziehen. Es wurde so konzipiert, dass nur geschlachtet werden kann, wenn die Kamera läuft. Dies soll nicht nur die Nachvollziehbarkeit für den Amtstierarzt gewährleisten, sondern auch eine Transparenz für den Verbraucher schaffen. Durch die amtliche Kennzeichnung anhand der Ohrmarke der Tiere, besteht für den Verbraucher jederzeit die Möglichkeit, sich das Video selbst anzuschauen. Wie der Name schon sagt, soll es sich eben bei jeder Schlachtung um eine Schlachtung mit Achtung handeln. Thomas Mayer wünscht sich, dass dieses Denken von allen Fleischern und Landwirten angenommen wird:

»Für alles haben wir Zeit, beim Tier schlampt man dann rum – das geht nicht!«

Man müsse sich Zeit nehmen und mit dem Tier üben. Peter Brandmeier bekräftigt seinen Kollegen darin: »Nicht das Tier wird gezwungen. Wir werden gezwungen, zu denken wie das Tier, um dem Tier gerecht zu werden. Wenn das Tier nicht will, wird es nicht gezwungen. Es soll völlig entspannt und frei reingehen.«

Was den beiden Männern zum Ende ihres Vortrages noch auf dem Herzen liegt und schwer auf den Magen schlägt, sind die Kosten und die fehlenden Strukturen, die so einiges erleichtern würden. Die Regionalität solle wieder mehr in den Vordergrund rücken. Sie geben dem Publikum zum Abschluss noch ein paar ausdrückliche Worte mit auf den Weg, die wohl den ein oder anderen zum Nachdenken angeregt haben:

»Was darf Tierwohl kosten? Warum muss ein Tier noch 1.000 km zurücklegen, um ein paar Euro zu sparen? Wer verdient daran? Hat der Verbraucher irgendeinen Nutzen davon? Die Zukunft wird zeigen, dass Regionalität wieder mehr in den Vordergrund rücken muss.«

 

Fragen und Antworten

  • Was kosten die Fangmodule?

Man kann es sich entweder leihen oder selbst kaufen. Es geht bei 5.000 Euro los. Man muss natürlich investieren. Aber man muss den Verbrauchern mitteilen, dass 100 Prozent Tierwohl gelebt wird und man sich damit abhebt. Durch Marketing kann man dieses Geld auch wieder reinbekommen. Oder man hilft sich mit anderen Landwirten und verleiht diese.

  • Wie lange werden die Videos von der Schlachtung aufgehoben?

Solange bis das Tier »weggemampft« wird. Bisher gab es 4 Anfragen von Verbrauchern, aber am Ende wurden die Videos nie angeschaut.

  • Ist bei der teilmobilen Schlachtung von Schweinen die Elektrobetäubung integriert?

Diese bringt der Metzger mit. Jeder Metzger sollte mit seinen eigenen Maschinen betäuben.

 

»Bevor ein Tier ins Nirvana schreitet, muss es nicht gelitten haben. Es soll am letzten Tag den besten seines Lebens haben.« 

Im Anschluss an den spannenden Vortrag von Thomas Mayer und Peter Brandmeier begaben sich die Teilnehmenden – gestärkt durch eine leckere Verpflegung von Hof Mahlitzsch – zu einer Betriebsführung und Besichtigung der verschiedenen Schlachteinheiten (Mobile Schlachteinheit (MSE) von IG Schlachtung mit Achtung (SMA) und T-Trailer von Innovative Schlachtsysteme (ISS)).

Nikola Burgeff erzählt, wie die drei bio-dynamischen Betriebe auf die »Mehrwert-Initiative« des Freistaates Sachsens aufmerksam geworden sind und diesen nutzten, um sich die teilmobile Schlachteinheit mit 50 Prozent fördern zu lassen. Er betont, wie entspannt seine Rinder auch noch kurz vor der Schlachtung seien und teilweise sogar beim Fressen sterben. Wer beim Fressen stirbt, der stirbt glücklich- davon ist er überzeugt und auch davon, dass das Tier an seinem letzten Tag den besten seines Lebens haben sollte- ganz ohne Stress.  

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch einen letzten Input von Clara Göckeritz, die über Fördermöglichkeiten und die aktuellen Entwicklungen in Sachsen berichtete.

Zudem dürfen Interessierte wohl gespannt auf eine Folgeveranstaltung im Jahr 2023 sein…

zurück zum Seitenanfang