Aktueller Futterrat vom 10.06.2011

Futterwert von Getreideganzpflanzen sichern

Trockenheit und Hitzestress provozieren vielerorts Noternten beim Getreide. Zudem ist die Grobfutterbilanz äußerst angespannt, da 2010 viel Silomais und Herbstgras im wahrsten Sinne „baden“ ging, die Auswinterungsschäden bei Weidelgräsern zum Teil erheblich waren und 2011 bisher kaum Masse geerntet wurde. Vielerorts wird deshalb über die Erzeugung von GPS (Getreideganzpflanzensilagen) nachgedacht.

Futterwert eher gering 
Der energetische Futterwert der sächsischen Gerstganzpflanzensilagen (GPS) konnte in den letzten Jahren keineswegs überzeugen. Die Energiedichte der sächsischen GPS lag zwischen 4,5 bis 5,5 MJ NEL je kg Trockenmasse. Einen Kornanteil von über 50 % und damit einen Rohfasergehalt von unter 24 % in der Trockenmasse, schafften nur knapp 7 % der untersuchten GPS. In Verdauungsversuche mit Hammeln in Köllitsch wurden GPS aus Triticale (Beginn Teigreife), Winterweizen (Beginn Teigreife); Wintergerste (Beginn Teigreife) und Winterweizen (Ende Teigreife).
Der Kornanteil lag bei 40, 30, 45 bzw. 55 % in der Trockenmasse.
Die Verdaulichkeit der organischen Substanz betrug 56, 60, 71 bzw. 63 % und die Energiedichte 4,4; 4,7; 6,0 bzw. 5,3 MJ NEL je kg Trockenmasse. Damit konnte die Übereinstimmung zwischen den Energiedichten aus dem Hammelversuch und den aus der Kalkulation über Schätzgleichungen nachgewiesen werden. Nur jünger geerntete Wintergerste-GPS wurde unterschätzt. Die Verdaulichkeit der Rohnährstoffe lag ca. 10 %-Punkte über den Angaben in der DLG-Tabelle. Vermutlich ist, ähnlich wie bei Maisganzpflanzen, die Strohverdaulichkeit zwischen den Sorten nicht einheitlich. Dies könnte auch die empirischen Befunde aus der Praxis erklären. Nicht anders als bei den anderen Grobfuttermitteln, hängt der Futterwert und die Qualität der Konservate sensibel von vegetationsbedingten, anbau- und siliertechnischen Einflüssen ab.

Strohanteil begrenzt am stärksten
Generell ist die Ganzpflanzensilierung aller Getreidepflanzen möglich. Gerste, Triticale und Weizen eignen sich aufgrund des engen Korn-Stroh-Verhältnisses besser als Roggen, welcher bei stark gefährdeten Beständen (Lagern, Auswuchs, Hagelschäden etc.) aber ebenfalls in Betracht kommen kann. Hafer kann aufgrund der besseren Kornverdauung und des verzögerten Absterbens der Halme später als die anderen Getreidepflanzen, d.h. noch bis Mitte der Teigreife, genutzt werden. Es ist aber zu berücksichtigen, daß bei der Ernte häufig hohe Kornverluste auftreten, die die Energiedichte reduzieren können. Eine gesonderte Züchtung von Getreidepflanzen auf die Eignung für die Ganzpflanzensilierung existiert nicht. Bei der Wahl der geeigneten Getreideart und -sorte muss insbesondere der Kornertrag, das Korn-Stroh-Verhältnis und, zur arbeitswirtschaftlichen Einordnung, der Reifezeitraum  berücksichtigt werden. Bis in die Blüte verändert sich der Futterwert von Getreidepflanzen ähnlich wie bei Gräsern und Leguminosen.
Durch das einsetzende Streckungswachstum der Pflanzen erfolgt eine verstärkte Synthese und Einlagerung von Zellulose bzw. Hemizellulose in die Zellwände des Stängels. Der Rohfasergehalt steigt bis zur Blüte von 180 auf 340 g je kg Trockenmasse. In diesem Bereich spricht man von „Grüngetreide“, welches als Grünfutter oder als Silage verabreicht werden kann. Hier besitzen der Grünroggen und der Grünhafer als Winterzwischenfrucht bzw. Stoppelsaat eine gewisse Bedeutung.
Die Abnahme der Verdaulichkeit mit zunehmender Reife wird danach bei diesen Futterpflanzen durch die Ausbildung energiereicher, hoch verdaulicher Samen ausgeglichen. Mit zunehmender Vegetation sinkt der Strohanteil. Bei der Gerstganzpflanze beträgt er zum Zeitpunkt der Blüte ca. 80% und zur Drusch- oder Gelbreife nur noch 35%. Die zunehmende Einlagerung des Speicherkohlenhydrates Stärke führt somit zu einer Verringerung des Rohfasergehaltes mit fortschreitender Reife. Die zunehmend sinkende Verdaulichkeit des Getreidestrohs muss jedoch durch die Quantität an hochverdaulichen Samen ausgeglichen werden. Erst bei nahezu vollständiger Kornfüllung und mit beginnender Druschreife, kann die fortschreitende Verholzung der Restpflanze nicht mehr kompensiert werden, und die Verdaulichkeit der organischen Substanz der Gesamtpflanze geht zurück.
Der Stärkegehalt von teigreifen Getreideganzpflanzen ist insbesondere vom Körneranteil sowie von der Schnitthöhe bei der Ernte abhängig. Er schwankt zwischen 50 und 280 g je kg Trockenmasse. Die höchste Energiedichte kann im Extremfall mit einer s.g. "Ährensilage" erzielt werden.
Die Einstellung des optimalen Stroh-Korn-Verhältnisses wird somit zur "Hohen Schule" der Getreideganzpflanzensilierung. Um einen Futterwert zwischen 6 und 7 MJ NEL je kg Trockenmasse zu realisieren ist ein Kornanteil von über 50 % notwendig (Abbildung 1). Wem dies nicht gelingt, der sollte eher über Feuchtgetreidekonservierung nachdenken und als Strukturlieferant gezielte Mengen Stroh in die Ration einbauen.


Abbildung 1: Energetischer Futterwert von Getreideganzpflanzen mit unterschiedlichem Strohanteil

Der richtige Erntezeitpunkt
Der optimale Zeitpunkt der Ernte wird nach unten durch den Korn- bzw. Stärkegehalt und nach oben durch die Verwertbarkeit der Körner im Verdauungstrakt der Rinder bzw. durch die Konservierbarkeit begrenzt. Nennenswerte Stärkeeinlagerungen in die Körner der Getreidepflanzen werden erst mit Beginn der Milchreife registriert. Ab der Milchreife nimmt der Trockenmassegehalt der Ähre um 0,5 bis 1 % täglich zu. Beim Übergang von der Milch- in die Teigreife (BBCH 77...83) hat die Ähre der Gerste einen Trockenmassegehalt von 45 bis 50 % und die von Weizen 35 bis 45 %. Dies ist der Zeitpunkt an welchem, die Pflanze geerntet werden sollte, wenn die Getreidekörner bei der Ernte nicht angeschlagen bzw. zerrieben werden können. Das Stroh beginnt sich gelb zu verfärben, die Halmknoten, Grannen und die oberen zwei Drittel der Blätter müssen noch grün sein. Der Korninhalt soll bei der s.g. "Nagelprobe" noch leicht spritzen. Die Gesamtpflanze hat zu dieser Zeit einen Trockenmassegehalt von 32 bis 40%. Bis zum optimalen Zeitpunkt brauchen Wintergeitreidebestände ca. 65 bis 85 und Sommergetreidepflanzen ca. 85 bis 115 Wuchstage.
Ab der Milchreife nimmt der Trockenmassegehalt der Ähre um 0,5 (naß-kühle Witterung) bis 1 % (sonnig-warme Witterung) und der der Gesamtpflanze um 0,3 bis 0,4 % täglich zu. Der Stärkegehalt steigt täglich um 1,5 bis 2 g und der Rohfasergehalt nimmt täglich um 0,3 bis 1,2 g je kg Trockenmasse ab. Der Stärkegehalt soll bei normaler Schnitthöhe über 150 g je kg Trockenmasse und der Rohfasergehalt nicht mehr als 240 g je kg Trockenmasse betragen. Die Gesamtpflanze hat zu dieser Zeit, bei einem Korn:Stroh-Verhältnis von 1:1, einen Trockenmassegehalt von 32 bis 38%. In den letzten Jahren hatten über 60% der untersuchten sächsischen Gerstganzpflanzensilagen eine Trockenmassedichte von über 40%. Die Folge war, daß fast 2/3 der untersuchen Silagen energetisch abgewertet werden mußten, da die Körner  eine Tausendkormasse über 35 g aufwiesen.
Bei Ganzpflanzensilagen aus Gerste, Triticale, Weizen und Roggen kann im Mittel mit 3; 8 bzw. 15% geringeren Energiedichten durch die Ausscheidung unzerkleinerter Körner gerechnet werden, wenn die Milch-, Teig- bzw. Gelbreife der Körner erreicht wird. Bei Überschrei¬tung des Optimums sind Exakthäcksler (Vielmessertrommeln) mit Reibeboden bzw. Quetschwalzen oder Korn-Crackern notwendig. Die Häcksellänge sollte in diesem Fall  3...4 cm nicht überschreiten. Wer Körner beim Erntevorgang zerkleinern kann, braucht bei der Ernte das Vegetationsstadium weniger zu berücksichten.

Schnitthöhe
Neben der Optimierung des Schnittzeitpunktes und der gezielten Wahl der Getreideart und -sorte kann man das Korn-Stroh-Verhältnis auch durch die Schnitt- bzw. Stoppelhöhe beeinflussen.
Wie in der Abbildung 2 dargestellt, muß dabei der erwartete Kornertrag berücksichtigt werden. Um beispielweise eine Energiedichte von über 6,0 MJ NEL zu erreichen darf bei einem Kornertrag von 40, 60 bzw. 80 dt je Hektar die Halmlänge nicht mehr als 30; 45 bzw. 65 cm betragen.

Abbildung 2: Energetischer Futterwert von Getreideganzpflanzen mit unterschiedlicher Halmlänge

Gefahr der Heißvergärung
Getreideganzpflanzen lassen sich besser silieren als Grüngetreide, da sie einen höheren natürlichen Trockenmassegehalt (32...40%) und eine geringere Pufferkapazität gegenüber Milchsäure aufweisen. Eine Ausnahme bildet der Hafer, welcher zum optimalen Schnittzeitpunkt einen niedrigen Zucker-Puffer-Quotienten und einen zu geringen Trockenmassegehalt aufweist. Beim Hafer wäre ein kurzzeitiges Anwelken sinnvoll. Bei Getreideganzpflanzen mit TS-Gehalten über 35% ist neben der exakten Zerkleinerung, mindestens auf eine theor. Häcksellänge von 6 bis 8 mm, eine starke Verdichtung sowie ein unverzügliches Abdecken zwingend notwendig, da sonst mit einer starken Erhitzung im Silostock und einer erhöhten Essigsäurebildung gerechnet werden muß. Als Ursache sind die stabile und elastische Röhrchenstruktur der Getreidehalme mit Lufteinschlüssen zu sehen, welche ein starkes Auffedern beim Festfahren (Strohmatteneffekt) provozieren können. Nach der Verdichtung sollen mindestens 200 bis 240 kg Trockenmasse je Kubikmeter Silo gelagert sein. 17 % der untersuchten sächsischen Gerstganzpflanzensilagen wiesen Hitzeschädigungen  und 28 % eine erhöhte Konzentration an Essigsäure auf.
Dr. Olaf Steinhöfel, LfULG, Köllitsch

Ansprechpartner

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Referat 74: Tierhaltung

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel

Telefon: 034222 46-2200

Telefax: 034222 46-2099

E-Mail: Olaf.Steinhoefel­@smekul.sachsen.de

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Telefon: 034222 46-2211

E-Mail: Frank.Pueschel@smul.sachsen.de

Webseite: http://www.lfulg.sachsen.de

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