Aktueller Futterrat vom 01.03.2019

Silagefütterung - Erfolgsspur oder Irrweg?

Das Futterjahr 2018 hat nachhaltige Spuren hinterlassen und verlangt geradezu nach „neuem Denken“. Dies muss zwangsläufig zu überlegten Einsparpotentialen, der Suche nach Alternativen und Reserven oder auch zur notwendigen Bestandsregulierung der Raufutterverzehrer führen. Was im Einzelfall der richtige Weg ist, können nur betriebswirtschaftliche Abwägungen entscheiden. Pauschalisierungen sind kaum zielführend. Wir können nur dazu beitragen das Handwerkzeug für künftige Entwicklungen zu schärfen.

Die Silierung von Grobfuttermitteln hat unbestritten und wesentlich zur Leistungsentwicklung der Milchrinder der letzten Jahrzehnte beigetragen. Für viele sächsische Landwirtschaftsbetriebe ist diese Form der Futterkonservierung seit den 1970-er Jahren alternativlos. Wir brauchen große Chargen qualitativ einheitlicher Grobfuttermittel zu einem definierten Vegetationszeitpunkt, um erfolgreich ganzjährig Milch zu erzeugen.
Dies konnte und kann bei den aktuellen Beständen weder durch Frischverfütterung noch durch Trocknung von Grünfutterpflanzen wirtschaftlich gesichert werden. Wir hinterfragen deshalb die Silierung als Verfahren nicht grundsätzlich. Silomais heißt z.B. deshalb Silomais weil die teigreife Maispflanze, welche auf hohern Stärkegehalt und Verdaulichkeit der Restpflanze gezüchtet wurde, sich hervorragend silieren lässt. Hierzu gibt es keine Alternative und auch keine Zweifel. Das Problem ist und bleibt unser Grünland. Eine Fläche, welche uns nahezu konkurrenzlos und umweltgerecht Futter liefert, welches sich hervorragend in Milch veredeln lässt, und deren Nutzung durch Rinder unbestritten öffentlich gewollt ist. Doch der Silomais hat alles verändert. Noch vor 100 Jahren wurden ca. 90 % der  Milch aus der Energie und den Nährstoffen von Gras erzeugt, aktuell sind dies nur noch rund 10 %. Der überwiegende Anteil an Milch von Hochleistungskühen ist weltweit veredeltes Kraftfutter und Silomais. Dafür gibt es viele Ursachen. Ein Hauptproblem ist und bleibt die problematische Silierung von Grünlandaufwüchsen. Trotz vieler Anstrengungen, der Entwicklung neuer Techniken und Betriebsmittel konnten die Probleme in den letzten 30 Jahren nicht wirklich gelöst werden. Zu hohe Verluste provozieren steigende Futterkosten. Die Futterwertveränderung durch unerwünschte mikrobiologische Gärvorgänge wirken zusätzlich einsatzbegrenzend.

Viele Tierhalter stehen unter dem Schock, dass es aus der Ernte 2018 wenig Grobfutter gibt. Dies ist der richtige Zeitpunkt über sein Grobfuttermanagement nachzudenken und Schlüsse zu ziehen. Es werden aktuell zwar viele Fragen gestellt, aber nur wenige hinterfragen die eigene Praxis. Da fällt mir ein passendes Zitat von Norbert Blüm ein: „Alle wollen den Gürtel enger schnallen, aber jeder fummelt am Gürtel des Nachbarn herum.“.

Bekanntermaßen haben Milchrinder keinen Bedarf an speziellen Futtermitteln, sondern einen Bedarf an Energie und Nährstoffen sowie wiederkäuergerechter Futterdarbietung. Für eine wirtschaftliche Veredlung von Futtermitteln in Milch ist einzig die Preiswürdigkeit der Faser und Nährstoffe entscheidend. Wir sind somit relativ frei, über verfügbare Pflanzenfaser und deren Konservierung nachzudenken. Das Wichtigste ist aktuell, alles zu tun, um das „Wenige“ maximal zu veredeln. Dabei spielt die Minimierung von Futtermittelverlusten eine herausragende Rolle. Im Mittel provozieren die Betriebe bei Silagen Trockenmasseverluste von 35 %. Der Schwankungs- und damit erkennbare Einflussbereich liegt zwischen 15 und nahezu 60 %. Der überwiegende Teil der organischen Masse gehen durch Veratmung, Gärungswärme und Auswaschung verloren. Ca. ein Viertel sind mechanische Verluste durch Abbröckeln, Danebenfallen oder Abräumen von Rand- und Deckschichten. Wo der Schwerpunkt liegt ist betriebsspezifisch verschieden. Bis maximal 20 % ist der Verlust biologisch und verfahrenstechnisch noch tolerierbar. Alles darüber muss hinterfragt werden. Wenn wir z.B. die 15 %-Punkte Verluste reduzieren könnten, würde Grobfutter schon mal knapp 2 Monate länger reichen. 15% wären jährlich ca. 1,5 Tonnen Trockenmasse Silage für eine Kuh mit Nachzucht, d.h. rund 200 € je Kuh und Jahr oder 2 Cent je kg Milch. Für alle, die aktuell in Stallplätze investieren: In 25 Jahren betragen die vermeidbaren zusätzlichen Kosten 5.000 € je Stallplatz. Das Multiplizieren überlasse ich jedem Milchviehhalter selbst, nur so viel, ab 200 Kühen beginnt die Million-€-Grenze.

In der Praxis befinden wir uns permanent im Wechselbad der Umweltbedingungen und menschlichen Unzulänglichkeiten. Diese sind nicht wirklich durch technisches Aufrüsten und Siliermittel auszuschalten. Viele der Probleme waren, sind und bleiben hausgemacht. Das beginnt bei der kontrollierte Bestandspflege, geht über den optimalen Nutzungszeitpunkt, das zeitbegrenzte Anwelken, luftdichte Verdichten und Verpacken bis zur Entnahme und Futtervorlage. Da ist wenig Neues hinzuzufügen. Sicher kann eine Weiterentwicklung von Präzisssiontechnik mit digitaler Sensorik und Steuerung sowie die Applikation von Sichergheitszusätzen oder die zeitliche und mechanische Optimierung von Ernte, Verdichtung, Abdecken und Entnahme den Einflussfaktor Mensch weiter minimieren helfen. Die biologischen und witterungsbedingten Einflüsse werden jedoch immer sensible Reaktionen von Landwirten erfordern. Deshalb gehörte und gehört die Vorbereitung der Silierung in jede Winterschulung der Landwirte.

Grobfuttermitteluntersuchungen sind mittlerweile ein unverzichtbares Handwerkzeug für Futterplanung und exakte Rationsberechnung. Im Verhältnis zum Nutzen und möglichem Einsparpotential, sind auch die Kosten dafür sehr moderat. Wie erwartet ist der Aschegehalt durch die Stäube, die geringeren Erträge und die Lückigkeit der beernteten Bestände aus 2018 höher. Dies kann neben einer Verdünnung auch unerwünschte Effekte auf Futtermittelhygiene und –verluste haben. Richtig problematisch wird es zudem dann, wenn in dieser Situation dann noch Schadstoffe aus dem Boden das Futter belasten. Weiterhin finden wir, typisch für Trockenjahre, weniger Protein und Phosphor in den Grobfuttermitteln. Dies sind dummerweise oft die teuersten Supplementierungen. Der Stickstoff zeigt sich weniger löslich, was den Faserabbau in den Vormägen reduzieren kann. Bei Abbruch der Maisabreife durch die Trocknung finden wir mehr Zucker statt Stärke und höherer Fasergehalte. Die Verdaulichkeit der Faser und infolge der organischen Substanz ist zudem oft geringer. Nicht zu unterschätzen ist, dass der Gehalt an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen höher sein kann. Gründe dafür können die  verstärkte Stressantwort der Pflanzen auf den Wassermangel und die unerwünschte Ausbreitung von spezifischen Pflanzen in den Grünlandlücken sein.

In der aktuellen „Angstphase“ müssen wir den Anschluss planen. Dies ist im Frühjahr noch nicht durch. Wenn wir mit Vegetationsbeginn in die Vollen gehen, gefährden wir schnell die Futterbasis der Winterperiode 2019/2020 und eine sinnvolle und notwendige Schaffung von Reserven. Inwieweit eine frühe Siloöffnung von Silagen der Ernte 2019 wirklich eine Option ist, wage ich zu bezweifeln. Die anaerobe Reifung und Stabilisierung ist ein biologischer Prozess, welcher graduell aber nicht prinzipiell durch Siliermittel zu beeindrucken ist. Auch wenn „tote“ Reserven durch die Verteuerung der Lagermöglichkeiten und der wachsenden Anforderungen an Umwelt- insbesondere Wasserrecht sehr kostspielig sind, müssen wir Puffer bilden und vorhalten. Dazu kommt das neue Denken in der standortspezifischen Anbaudiversität, der Fruchtfolgeoptimierung unter Einbeziehung von Zwischenfrüchten, der Düngung, der Grünlandanpassung und -pflege, der Überlegungen zu den Greening – Exoten als Futterpuffer, der Möglichkeiten zu bewässern, aber auch Züchtung mit Blick auf Trockenresistenz und vieles mehr.

Das Landesamt lädt gemeinsam mit dem LKV am 13. März 2019 zum Sächsischen Futtertag 2019 nach Lichtenwalde ein.
Hier ist die Einladung zum Futtertag verlinkt.

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel, Köllitsch

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