Aktueller Futterrat vom 30.04.2024

Dem Phänomen Abrutschen von Silageblöcken im Silo auf der Spur

Dem Phänomen Abrutschen von Silageblöcken im Silo auf der Spur

© O. Steinhöfel

Ein immer wieder diskutiertes Problem bei der Bewirtschaftung von Siloanlagen ist das Abrutschen großer Silageblöcke aus dem Silageverbund über die Anschnittsfläche. Mit dem damit verbundenen Lösen aus dem Stapel können erhebliche Verluste verbunden sein, da der Luftzutritt intensive Atmungsverluste provoziert und damit einen raschen Verderb der Silage begünstigt. Für das beobachtete Phänomen werden in der Fachwelt verschiedene Ursachen diskutiert.
Vorweg: Eine Patentlösung oder gar eine Prognose für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens gibt es nicht. Oft manifestiert sich das Phänomen erst, wenn mehrere Faktoren vereint ihr Unwesen treiben. Wenn man die bekannten Fälle hinterfragt und versucht, Gemeinsamkeiten zu finden, kommt man auf mögliche Erklärungen. Zunächst ist auffallend, dass es das Abrutschen von Siloblöcken nur im Osten Deutschland zu geben scheint. Beim Austausch mit westdeutschen Beratern findet man in der Regel keine Ansprechpartner oder eher ein Achselzucken. Somit liegt zunächst die Vermutung nahe, dass es etwas mit der Siloanlage, deren Dimensionierung bzw. Bauform zu tun haben könnte.

Und wahrlich findet man in der Literatur Hinweise, dass der Silostapel durchaus auch statischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Die Höhe und Breite der Einlagerung des Siliergutes hat gewisse Grenzen. Dies mag nicht grundsätzlich verwundern, besagt aber auch, dass eine unüberlegte Änderung traditioneller Silobaumaße oder Bewirtschaftungsgrundsätze Folgen haben kann. Typisch war z.B. das Einfügen von Zwischenwänden in Siloanlagen, um die Anschnittsfläche zu reduzieren.

Nicht selten ist auch eine Überladung der Silos, d.h. deutliche höhere Stapelhöhen als ursprünglich geplant, zu beobachten. Wenn das Phänomen immer im selben Silo bzw. der gleichen Einlagerungspraxis auftritt, liegt es nahe, die gegebene Statik der lagernden Silage mal genauer zu hinterfragen. Eventuell kann ein Bausachverständiger bzw. Statiker sein Urteil abgeben.

Nicht unerwähnt dabei soll sein, dass auch der Boden des Silos gemeinsam mit dem Gefälle und einem Sicksaftstau am Fuß Wirkung zeigen kann. In den Fällen sackt oft die Silage auf der gesamte Silobreite 1 bis 2 Meter ab und rutscht auf dem Sickersaftfilm nach vorn weg. Dies ist bei hoher Sickersaftanfall, d.h. bei Siliergütern mit Trockenmassegehalten von unter 26 % und gleichzeitigem Stau des Saftabflusses durchaus eine denkbare Ursache.

Es ist auffällig, dass fast ausschließlich Grassilagen bzw. Gemenge betroffen sind. Abgerutschte Maissilagen sind dem Autor bisher nicht bekannt. Oft sind es aber gerade die Maissilagen, welche bei der Lagergeometrie skurile und überladene Formen bilden.  Aber eben Sickersaft bei Maissilagen ist relativ selten. Hier liegt die Schmerzgrenze bei 28 % Trockenmasse im Silomais. Es sei denn die Stapelhöhe erreicht 5 Meter und mehr. Bei den Grassilagen sind es insbesondere die, welche geringe Trockenmasse- und Fasergehalte sowie grenzwertig kurze Häcksellängen aufweisen.

Letzteres kann neben der Silobauform auch etwas zum „Ostbezug“ beigetragen haben. Ursache für die physikalische Instabilität und das Abrutschen könnte somit sein, dass die Verzahnung der Siliergutpartikel miteinander gestört ist, d.h. die Partien „kippeln“ und dadurch schneller ins Rutschen oder Abkippen kommen. Wenn man sich dann noch die Anschnittsfläche genauer anschaut, erkennt man oft die Einlagerungsgeschichte der Silage, d.h. man registriert die Silierpausen.

Jede Minute Luftzutritt zum ungeschützten Siliergut provoziert bekanntermaßen spontane Nährstoffveratmung und schnellen Verderb. Dies wiederum hinterlässt Spuren, welche auch die Konsistenz des Siliergutes verändern, deshalb eventuell auch die höhere Gefahr für die sehr faserarmen und in der Regel zuckerreichen Güter. Insbesondere früh am Tag geschnittene junge Siliergüter erzeugen bei mechanischer Beanspruchung oft eine fast ölige bis schmierige Konsistenz. Die fehlenden Gerüstsubstanzen der Pflanzen bieten beim Überfahren mit schwerer Technik wenig Schutz für den nährstoffreichen Zellsaft.

Mikrobielle Umsetzungen sind die Folge, welche die Oberfläche der eingelagerten Güter schnell ungünstig glattmachen. Die entstehenden Grenzschichten könnten den „Schlitteneffekt“ verstärken, d.h. physikalisch das Abrutschen unterstützen. Auch grenzwertige TM-Gehalte und unterschiedliche Verdichtung (Walzgüte) zwischen den Partien verstärken physikalische Konflikte im Bereich der Grenzschichten. Ransilieren oder Aufsilieren auf bestehende Silagen oder auch Sandwichsilagen, d.h. Siliergüter mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften übereinander siliert, sind generell als Risikofaktor zu hinterfragen. Auch Niederschläge während der Silierpausen provozieren Grenzkonflikte.

Weiterhin wird vermutet, dass der Schlupf der Räder beim Festfahren mehr oder weniger intensive Vermusungen unterstützt, d.h. strukturzerstörend wirkt. Dieser Effekt wird umso stärker, je steiler von unten nach oben angewalzt wird.  Nicht zuletzt sollte auch der Trockenmassegehalt bei der Ursachenfindung eine Rolle spielen. Bekanntermaßen reagiert Wasser zum Teil sehr stark, wenn es mit den Temperaturen der Außenwelt reagiert. Wenn der beschriebene Sickersaftanfall im Fußbereich des Silos nicht abfließt, kann auch dieser gefrieren und die Schlittenfahrt begünstigen.

Üblicherweise hält ein aerob stabiler Silostapel die Lagertemperatur von 13 bis 17 °C trotz z.T. stark abweichender Außentemperarturen. Sobald jedoch Lufteintritt durch ungenügende Verdichtung, zu geringen Entnahmevorschub oder durch Einsilieren von Gütern mit verschiedenen Trockenmassegehalten eintritt, atmet das Silo. Dies bedeutet, dass neben dem Gasaustausch von Kohlendioxid und Sauerstoff auch kalte oder warme Luft in das Silo eingetragen wird.

In einigen beobachteten Fällen lag deshalb die Vermutung nahe, dass das Abrutschen im frostigen Winter eine Grenzschicht provoziert hat, welche schlichtweg gefroren war. Es betrifft übrigens nicht nur Sandwichsilagen und Siliergüter mit sehr unterschiedlichem Trockenmassegehalt, sondern auch die Wasseranreicherung bei Veratmung von Nährstoffen sollte nicht unterschätzt werden. Junge, faser- und zuckerreiche Siliergüter silieren oft gut, sie sind aber eben auch instabiler bei Siloöffnung und damit anfälliger für die genannte Nährstoffveratmung.

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